Mit dem Motorsegler an den Atlantik

Ein Flugbericht von H.Zimmermann Der verregnete August hat die Segelflugsaison abrupt beendet. Erst Mitte September bringt ein Hoch wieder brauchbares  Flugwetter, wenn auch die stabile Warmluft keine Thermik verspricht. Was also tun ohne Thermik ? Dann machen wir eine  2-Tages-Tour mit dem Motorsegler! Mario, Markus und ich planen schon seit langem einen grossen Trip. Nun scheint das Wetter hierfür geeignet.  Gemeinsame Flugvorbereitung am Freitag Abend bei Mario – Dorothee hat in gewohnt guter Weise für’s leibliche Wohl  gesorgt. Nach der Stärkung kommt die Frankreich-Karte auf den Tisch: welches Ziel suchen wir uns denn aus ? Es muss natürlich  ein Ort sein, wo man auch gut essen kann - Marios Leidenschaft für Meeresfrüchte gibt den Ausschlag: die Insel Quiberon  vor der französischen Atlantikküste !  Bei Bier und Wein werden die Flugdetails ausgearbeitet. Nördlich oder südlich um Paris herum ? Machen wir gegen Mittag  eine Zwischenlandung und wenn ja, wo ? Karte und Luftraum werden aus dem PC in das Navigations-GPS heruntergeladen – die Vorbereitung steht. Hans-Werner  ruft an und wird kurz gebrieft. Bier und Wein sind ausgetrunken und gegen Mitternacht geht’s in die Kojen.  Am Samstag früh um 8:00 Uhr empfängt mich ein stahlblauer Himmel. Ich ziehe die Dimona aus er Halle und rolle zum  Tanken. Hans-Werner und Markus kommen mit der G109 auch zum Tanken, während Mario auf dem Tower den Flugplan  abgibt. Schnell noch das Gepäck verstaut, ich nehme auf dem Pilotensitz Platz, Mario neben mir kümmert sich um die Navigation.  Kurz nach 9:00 rollen wir zur Piste 06, der Tower gibt uns das QNH und den Wind und aktiviert den Flugplan.   Ich rolle in die Piste und gebe Gas – die Dimona beschleunigt zügig, der steife Nordostwind verkürzt die Rollstrecke  und  schon heben wir ab, Hans-Werner und Markus folgen mit der G109 direkt hinterher.  Wir steigen auf 3500 ft und nehmen Kurs SW in Richtung Belgien.  Die Landschaft in Belgien ist für mich fliegerisches Neuland.  Das Terrain ist gekennzeichnet durch viele kleine, mit  Hecken oder Zäunen umgebene Wiesen, die nicht gerade zum Aussenlanden einladen – aber das weiss unser Motor zum  Glück ja nicht. Die Navigation wird durch das Fehlen markanter Punkte auch nicht gerade erleichtert – da heisst es Kurs,  Fahrt und Höhe halten, die Moving Map auf unserem GPS-Ipaq weist uns den Weg.  Plötzlich ändert sich das Landschaftsbild: grosse Felder soweit das Auge blickt, kein Zweifel, wir sind in Frankreich, und  vor uns ist auch schon der Flugplatz Sedan.  Unser nächster Checkpunkt ist der Flugplatz Reims in der Champagne, den wir gegen 10:30 erreichen. Wir sind unglaublich schnell: unser Navi-Ipaq gibt uns eine groundspeed von 201 kmh – dem strammen Nordostwind sei’s gedankt. Weiter geht’s mit heading 190 Grd, wir steigen auf 5500 ft  und fliegen an der CTR Epernay MIL vorbei.  Das Kernkraftwerk vor uns an der Seine lassen wir in  respektvollem Abstand rechts liegen. Wir nehmen wieder Kurs 240 Grd Richtung Orleans, wo wir  gegen Mittag eintreffen.   Am Flugplatz unten machen die Segelflieger F-Schlepps. Bis  auf ein paar Cirren ist keine Wolke am stahlblauen Himmel,  an dem sich eine gut ausgeprägte Inversion in 500m Höhe  abzeichnet – Schulungswetter. Wir fliegen an der Stadt vorbei und Mario schiesst Fotos von  der Kathedrale. Oben: Orléans Weiter geht es an der Loire entlang vorbei am Kernkraftwerk  Mehun. Unser Ziel ist der Flugplatz Blois, wo wir landen und  Mittagspause machen wollen. Vorher aber machen wir noch einen Abstecher zum Schloss  Chambord auf dem linken Loire-Ufer, wo wir natürlich Fotos  schiessen. Schon kommt die Stadt Blois mit ihrem Schloss und der alten  römischen Loire-Brücke in Sicht. Wir rasten die Frequenz von Blois und Mario meldet uns an  und erbittet Landeinfo – wir erhalten keine Antwort.   Oben: Schloß Chambord Auch der zweite Anruf bleibt unbeantwortet. Da meldet im Funk ein Motorflugzeug den Gegenanflug auf die Piste 08.   Offensichtlich ist der Tower nicht besetzt – dann gibt es „Autoinformation“, jeder sagt im Funk an, was er vorhat, alle hören  mit und sind informiert. Jetzt wissen wir jedenfalls die Landerichtung. Um 13:00 landen wir in Blois, wir rollen zum Tower und stellen die Dimona vor der Halle auf dem Rasen ab. Hans-Werner  und Markus melden sich gerade ebenfalls zur Landung und sind eine Minute später bei uns. Unsere Vermutung war  richtig: der Tower ist nicht besetzt, und zu unserem Verdruss ist das Restaurant ebenfalls geschlossen. So wird aus dem  Mittagessen nix, aber zumindest bekommen wir einen Kaffee und kalte Limonade beim französischen Club. Ich rufe in Paris an und schliesse unseren Flugplan, dann klönen wir noch ein wenig mit den Segelfliegern, die gerade die  F-Schleppmaschine und die ASK21 rausholen und sich auf den beginnenden Flugbetrieb vorbereiten. Wir tanken auf und  sind über die moderaten Spritpreise überrascht – AVGAS 100LL   kostet hier 20ct weniger pro Liter als daheim! Um 14:00 geben wir wieder Gas und starten zu unserem Ziel  Quiberon. Unser GPS gibt uns ein heading von 265 Grd,  Distanz 300 km. Das schaffen wir locker in 2 Stunden.   Wir steigen auf 2000 ft, das Gelände ist hier nicht mehr so  hoch.  Links von uns liegt die Loire, deren Flussbett mit  Annäherung an die Küste immer breiter wird. Die Landschaft unter uns ändert sich nochmals, die grossen  Felder machen kleinen Wiesen und Hecken Platz.   Jeder grössere Ort hat ein Schloss mit Parkanlage,  Pferdestallungen und Hippodrom - wir sind im Land der  Pferdezüchter.  Am Horizont erkennen wir bereits die Küstenlinie, die schon bald näher und näher kommt. In der Loire-Mündung liegt ein  riesiges Schiff vor Anker, die Sandstrände unter uns sind von Badegästen bevölkert und eine Menge Segelschiffe kreuzen  vor der Küste.  Oben: Loire Mündung voraus  Oben: Segelboot-Regatta auf der Loire  In 40 km Entfernung ist unser Ziel erkennbar: Quiberon – was für eine Sicht !  Mario rastet die Frequenz des Flugplatzes  und fragt nach Landeinfo. Wir erhalten keine Antwort – das Spiel kennen wir schon! Kurz darauf wird der Anruf eines  englischen Piloten allerdings beantwortet. Der Tower weist darauf hin, dass der Platz wegen Fallschirmsprung-Betrieb  nicht überflogen werden darf.  Oben: Hinaus aufs Meer zur Insel Quiberon  Oben: Queranflug zur Landung  Wir gehen langsam auf 1000 ft Höhe herunter und erreichen 5 Minuten später unser Ziel.  Ich drehe in den Gegenanflug  zur 30 und Mario meldet uns an – wir erhalten wieder keine Antwort. Egal – die Landung von See her ist ein  atemberaubendes Erlebnis, unten der Ozean mit den Segelschiffen, wir hier oben in der Dimona. Kurve zum Endteil und Klappen raus und die Asphaltbahn im Visier und um 16:15 setzt die Dimona an der Schwelle der  Piste auf. Wir rolllen zur Intersection und hören, wie Hans-Werner und Markus sich mit der G109 ebenfalls im Gegenanflug  anmelden. Wir rollen aus der Bahn und werden von einem Franzosen auf dem Moped in  Empfang genommen – er spielt follow-me  und weist uns einen Platz zum Anbinden des Flugzeugs vor der Halle auf Gras zu. Als wir den Motor abstellen und die  Haube öffnen, geleitet er auch die G109 zu unserem Platz. Für die gut 800 km lange Strecke haben wir knapp 5 Stunden  Flugzeit gebraucht !  Nach dem Anbinden der beiden Flugzeuge schnappen wir unser Gepäck und dann geht’s erst einmal in die  Flugplatzkneipe am Tower, wo sich der „follow-me" zum Patron hinter der Theke verwandelt und uns mit grossen, frisch  gezapften Bieren begrüsst.  Das kühle Nass wird von unseren Poren gierig aufgesaugt, und schnell sind noch mal 2, 3 weitere Runden bestellt... Dann organisiert uns der Patron 2 Hotelzimmer in einem hübschen Hotel, in Gehweite vom Flugplatz entfernt, wo wir uns  dann einrichten. Um 18:00 Uhr schlendern wir dann in’s Zentrum von Quiberon, das sich an der Uferpromenade befindet. Hier gibt es zahlreiche Strandcafes, Kneipen, Boutiquen und Restaurants, die allesamt zum Geldausgeben einladen. Der aus der Luft gut sichtbare Yacht-Hafen ist am Boden noch imposanter. Was hier so an Kapitalwerten vor Anker liegt,  da können wir mit unseren Flugzeugen nicht mithalten! Wir kehren erst einmal in einer Brasserie um Ufer ein und zischen noch mal ein paar Helle, bevor wir um 19:30 in ein  excellentes Fisch-Restaurant zum Abendessen gehen Ein Pastis als Aperitif stimmt uns auf den weiteren Abend ein. Dann wird schon der salade de chevre chaud als entrer  serviert.  Mario hat die Meeresfrüchte-Platte mit Tourteau, Bigonneaux und all dem anderen appetitlich aussehenden Getier bestellt.  Markus, Hans-Werner und ich begnügen uns mit pflegeleichten Sachen - Lotte bzw. Lachs. Zum Essen gibt’s einen  süffigen, trockenen Weisswein, der unserem Gaumen derart schmeichelt, dass wir mehrmals nachbestellen müssen... Der obligatorische Käse rundet das Abendessen begleitet von einem trockenen roten Burgunder ab. Um Mitternacht  kommen wir in’s Hotel zurück, wo die Bar zum Glück schon geschlossen ist und wir somit direkt in’s Bett fallen können... Der nächste Tag beginnt zu früher Stunde mit einem typisch französischen Frühstück mit Croissants, Marmelade und  reichlich Café au lait. Um 8:30 Uhr geht’s zum Flugplatz zurück, wo uns der Patron bereits begrüsst und für unseren  Rückflug schon Wetter eingeholt hat: die Aussichten sind CAVOK für den Rückflug, den wir diesmal nordwestlich um Paris  herum planen. Wir tanken die Flieger voll und stehen um 9:00 als „early birds" am Startkopf der 24.  Der Wind weht mit 5 kt aus West, ich  gebe Gas, die Dimona beschleunigt zügig und schon sind wir in der Luft.  Das Bahnende ist erreicht und vor uns liegt der Ozean – einige Segelyachten kreuzen vor der Küste, ein Skipper winkt uns  zu – ein atemberaubender Anblick.  Wir steigen zügig auf 1000 ft, drehen nach links und nehmen  dann Kurs NO. Wir haben beschlossen, die Bretagne zu durchqueren und  ein Stück an der bretonischen Nordküste entlang zu fliegen,  um uns noch einen touristischen Leckerbissen zu gönnen: Vorbeiflug am Mont St. Michel, der Felseninsel mit dem  berühmten Kloster. Nach gut einer Stunde Flugzeit haben wir die Nordküste  erreicht und die Klosterinsel kommt in Sicht – ein erhabener  Anblick.   Wir nähern uns der Insel so nahe wie möglich – das  Überfliegen des Klosters ist nicht erlaubt – und schiessen  eine Menge Fotos.  Dann nehmen wir Ostkurs und steigen auf 2000 ft, weil das  Gelände vor uns nun deutlich ansteigt.  Um 11:00 machen wir eine Zwischenlandung auf dem  Flugplatz Flers, weil Hans-Werner in der G109 seine  Pinkeltüten vergessen hat und dringend den Morgen-Kaffee  los werden muss... Der Flugplatz hat nicht viel zu bieten, und so sind wir eine  halbe Stunde später wieder in der Luft.   Mit Kurs NO steigen wir auf 3000 ft und umfliegen den  Luftraum von Paris zwischen Le Havre und Rouen.   Oben: Mont Saint Michel vor der Atlantik-Küste  Die Luftraumsituation ist hier sehr komplex, und so bin ich froh, dass Mario mich sachkundig um die TMA’s und CTR’s  lotst. Unser nächstes Etappenziel für die Mittagspause ist der Flughafen Amiens, wo wir um 13:30 auf der 2 km langen  Asphaltbahn 12 landen. Der Tower ist nicht besetzt. Eine 2 strahlige Düse steht draussen vor der Halle, eine CAP10 fliegt senkrecht über dem  Platz ihr Kunstflugprogramm und die Segelflieger machen F-Schlepp auf der Grasbahn neben der Asphaltpiste –  Koexistenz zwischen Luftsport und Verkehrsfliegerei auf charmant französische Art – und alles ohne „Luftaufsicht"...  Im Clubheim der Segelflieger werden wir mit kalten Getränken und Kaffee versorgt, es wird auf Französisch und Englisch  gefachsimpelt. Dann gibt Mario für die letzte Etappe zur Binz den Flugplan  telefonisch auf, ich rolle mit der Dimona zur Club-Tankstelle  zum Tanken. Um 14:30 verlassen wir Amiens und nehmen Kontakt mit  Paris FIS auf und aktivieren unseren Flugplan zur Binz.  In 3500 ft nehmen wir Ostkurs auf Charleville und drehen  dann auf NO Richtung Binz.  Das Gelände vor uns steigt an – wir haben die Ardennen erreicht, wo sich 3/8 CU’s gebildet haben.  Bald ist der Segelflugplatz Saint Hubert in Belgien erreicht, wo wir einige Segelflugzeuge unter den CU’s kurbeln sehen.  Eine halbe Stunde später erkennt man schon den Sendeturm des Schwarzen Mann’s in der Schnee-Eifel und kurz darauf  auch schon die Windräder westlich der Binz.  Wir rasten die 122,375 und melden uns auf der Binz zur Landung auf der 24, wo wir um 16:30 mit der Dimona aufsetzen.  Hans-Werner und Markus folgen wenige Minuten später.   Wir haben in den 2 Tagen fast 1700 km Strecke geflogen und ich notiere gut 10 Stunden Flugzeit in meinem Flugbuch.  Nach dem Waschen der Flugzeuge sitzen wir gemeinsam beim Abendessen auf der Terrasse der Flugplatzkneipe – und  planen schon die nächste Tour... Links: Der Flugweg der zweitägigen Tour zum Atlantik  führt auf dem Hinweg südlich und auf dem  Rückweg nördlich um den Luftraum Paris